Bilanzierung | Wahlrecht für aRAP entsprechend der GWG-Grenze (FG)

Die Bilanzierungsgrundsätze der Vollständigkeit und Wahrheit werden durch den Grundsatz der Wesentlichkeit eingeschränkt. In Fällen von geringer Bedeutung kann daher auf eine aktive Rechnungsabgrenzung auch aus Gründen der Bilanzklarheit verzichtet werden. Bei der Frage, wann ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, ist auf die jeweilige Grenze des § 6 Abs. 2 EStG bei geringwertigen Wirtschaftsgütern abzustellen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 8.11.2019 - 5 K 1626/19; Revision anhängig).

Hintergrund: Nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG sind RAP auf der Aktivseite der Bilanz nur für Ausgaben vor dem Abschlussstichtag anzusetzen, soweit sie Aufwand für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen.

Sachverhalt: Die Beteiligten streiten darüber, ob auch für unwesentliche Beträge eine Pflicht zur Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens (aRAP) besteht. Der Kläger ist Flaschnermeister und erzielte Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Eine Außenprüfung für die Jahre 2012 - 2014 fand statt. Die Betriebsprüferin erhöhte im Jahr 2014 unter anderem die aktiven RAP. Der Kläger hatte die entsprechenden Betriebsausgaben als sofort abzugsfähigen Aufwand verbucht, da die Abgrenzungsbeträge aus seiner Sicht nur von geringer Bedeutung gewesen seien. Das FG Baden-Württemberg, Urteil v. 2.3.2018 - 5 K 548/17 gab dem Kläger Recht.

Das FA erkannte die sofort abzugsfähigen Aufwände für die VZ 2015 - 2017 nicht als Betriebsausgaben an und erhöhte die Gewinne aus Gewerbebetrieb des Klägers entsprechend. Hiergegen wendete sich der Kläger mittels Sprungklage.

Das FG gab dem Kläger wieder Recht:

  • Bei den streitgegenständlichen Aufwendungen durfte der Kläger wegen ihrer geringen Bedeutung auf die Bildung eines Rechnungsabgrenzungspostens verzichten. Der Grundsatz der Wesentlichkeit ermöglicht, unwesentliche Elemente bei der Bilanzierung und Bewertung außer Betracht zu lassen (BFH, Beschluss v. 18.3.2010 - X R 20/09).
  • Im Streitfall zu den Streitjahren 2015 bis 2017: Keine Bildung eines aktiven Rechnungsabgrenzungsposten, sondern sofortiger Betriebsausgabenabzug für unter 410 EUR (ab VZ 2018: 800 €) liegende Vorauszahlungen für Versicherungen, Werbung, Kfz-Steuer.
  • Beim Ansatz von Rechnungsabgrenzungsposten sind auch die Grundsätze einer angemessenen Vereinfachung der Buchführung zu beachten. Geringfügige Ausgaben sind Beträge, die bei einer Verteilung auf künftige Wirtschaftsjahre das Ergebnis nur unwesentlich berühren (BFH, Urteil v. 16.9.1958 - I 351/56 U).
  • Bei der Frage, wann ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, wird ebenfalls dem BFH Beschluss v. 18.3.2010 - X R 20/09 gefolgt. Der BFH orientiert sich ebenso an der jeweiligen Grenze des § 6 Abs. 2 EStG (ab VZ 2018: 800 EUR). Denn mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er bei GWG auf einen periodengerechten Ausweis verzichtet und eine Sofortabschreibung für angemessen hält. Diese gesetzgeberische Einschätzung ist zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auf die Bildung von Rechnungsabgrenzungsposten zu übertragen. In Fällen, in denen der Wert des einzelnen Abgrenzungspostens 410 EUR (ab VZ 2018: 800 EUR) nicht übersteigt, kann daher auf eine Abgrenzung verzichtet werden.

Hinweis: Die Revision ist beim BFH unter dem Az. X R 34/19 anhängig.

Die Revision des Urteils v. 2.3.2018 - 5 K 548/17 wurde als unzulässig verworfen (Az. X R 14/18).

Quelle: FG Baden-Württemberg, Urteil v. 8.11.2019 - 5 K 1626/19, NWB BAAAH-50084 (JT)

Verwandte Artikel:

  • Cremer, Rechnungsabgrenzungsposten, aktive, Lexikon, NWB UAAAG-58899
  • Schmidt, Aktive Rechnungsabgrenzungsposten (HGB, EStG), infoCenter, NWB XAAAB-14446

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