Hintergrund: Nach § 22 Nr. 2 EStG zählen zu den sonstigen Einkünften (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Dazu gehören gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken (1. Alternative) oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken (2. Alternative) genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).
Sachverhalt: Streitig ist, ob ein Gewinn aus der Veräußerung einer Eigentumswohnung als sonstige Einkünfte i. S. des § 22 Nr. 2 i. V. mit § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in der im Streitjahr (2017) geltenden Fassung zu berücksichtigen ist, soweit er auf den Bereich des häuslichen Arbeitszimmers entfällt.
Die Klägerin erzielte im Streitjahr als Lehrerin Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Sie machte hierbei, wie in den Vorjahren, die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend. Diese sind vom FA jeweils mit dem Höchstbetrag i. H. von 1.250 € anerkannt worden. Das streitige Arbeitszimmer befand sich in der Eigentumswohnung der Klägerin. Im Streitjahr 2017 veräußerte die Klägerin ihre Eigentumswohnung. Das FA berücksichtigte in der Einkommensteuerveranlagung 2017 anteilig auf das Arbeitszimmer entfallende Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften.
Der Einspruch der Klägerin wurde als unbegründet zurückgewiesen. Der Klage gab das FG statt und setzte die Einkünfte aus der Veräußerung der Eigentumswohnung mit 0 € an (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 23.7.2019 5 K 338/19). (s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 8.9.2020)
Der BFH hat die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen:
- Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" setzt in beiden Alternativen des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG voraus, dass eine Immobilie zum Bewohnen geeignet ist und vom Steuerpflichtigen bewohnt wird.
- Ein Gebäude wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG genutzt, wenn es der Steuerpflichtige nur zeitweilig bewohnt, sofern es ihm in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht.
- Eine "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG liegt auch hinsichtlich eines in der - im Übrigen selbst bewohnten - Eigentumswohnung befindlichen häuslichen Arbeitszimmers vor. Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG noch die Gesetzesbegründung und der Gesetzeszweck bieten einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber ein häusliches Arbeitszimmer von der Begünstigung ausnehmen wollte.
- Das Tatbestandsmerkmal "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" umschreibt - nach seinem Grundverständnis - einen durch eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises gekennzeichneten Lebenssachverhalt (vgl. BFH, Beschluss v. 28.5.2002 - IX B 208/01, unter II.2.a, Rz 13). Diese Eigenschaften sind in gewisser Weise auch mit der Betätigung in einem häuslichen Arbeitszimmer verknüpft und sprechen deshalb dafür, dass dieses - zumindest zeitweise - zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Eine private Mitbenutzung des Arbeitszimmers ist nicht überprüfbar und daher nicht vollständig auszuschließen. Entsprechend versteht die Rechtsprechung den Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers dahin, dass ein solches bereits dann vorliegt, wenn der jeweilige Raum nahezu ausschließlich für betriebliche oder berufliche Zwecke genutzt wird (BFH, Beschluss v. 27.7.2015 - GrS 1/14). Für ein in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenes Arbeitszimmer verbleibt somit schon nach dem Typusbegriff des häuslichen Arbeitszimmers regelmäßig eine jedenfalls geringfügige Nutzung zu eigenen Wohnzwecken.
- Im Ergebnis zutreffend hat das FG auch die Nichtsteuerbarkeit des Veräußerungsgeschäfts gem. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG bejaht. Denn die Klägerin hat die Eigentumswohnung einschließlich des Arbeitszimmers im Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nach den dargestellten Grundsätzen ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Damit gelangt die Freistellungsregelung zur Anwendung. Anders als das FG meint, bedarf es vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung, ob das häusliche Arbeitszimmer ein Wirtschaftsgut i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG ist.
Quelle: BFH, Urteil v. 1.3.2021 - IX R 27/19; NWB Datenbank (RD)
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