Sachverhalt: Im Streitfall bestand eine sog. Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin als Besitzgesellschaft und der A GmbH als Betriebsgesellschaft. An beiden Gesellschaften waren C mit rund 75 % und A mit rund 25 % beteiligt. Mit Notarvertrag vom 17.12.2013 übertrug C ihren Miteigentumsanteil an dem der Betriebsgesellschaft überlassenen Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf ihren Sohn F. Zugleich trat sie von ihrem Anteil an der A GmbH einen Anteil von 30 % an F ab. Mit weiterem Notarvertrag vom 17.12.2013 verkaufte C die ihr verbliebenen Geschäftsanteile an der A GmbH an ihren Mitgesellschafter und dessen Bruder.
Das beklagte FA behandelte den Vorgang als Aufgabe des Anteils der C an der Besitzgesellschaft und unterwarf alle stillen Reserven der Besteuerung. Zur Begründung machte es geltend, dass das Buchwertprivileg für die Übertragung des Mitunternehmeranteils aufgrund des taggleichen Verkaufs der GmbH-Anteile nicht in Anspruch genommen werden könne (siehe hierzu unsere Online-Nachricht v. 6.6.2018, NWB TAAAG-85197).
Der BFH verweist zurück an das FG, um die Zeitpunkte des Übergangs zu bestimmen:
- Die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG setzt voraus, dass neben dem Gesellschaftsanteil sämtliche Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens (I und II) übertragen werden, die funktional wesentlich sind. Die Aufgabe des Mitunternehmeranteils liegt vor, wenn der Gesellschafter seinen Anteil am Gesamthandsvermögen unentgeltlich überträgt, ohne dem Rechtsnachfolger auch alle funktional wesentlichen Wirtschaftsgüter seines Sonderbetriebsvermögens mit zu übertragen (BFH, Urteil v. 9.12.2014 - IV R 29/14).
- Bei einer Betriebsaufspaltung - wie hier zwischen einer Besitzpersonengesellschaft und einer Betriebskapitalgesellschaft - kann sich der im Miteigentum der Gesellschafter der Besitzgesellschaft befindliche Miteigentumsanteil an dem Betriebsgrundstück im (notwendigen) Sonderbetriebsvermögen I (bei Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Besitzpersonengesellschaft zur Weitervermietung an die Betriebskapitalgesellschaft) oder Sonderbetriebsvermögen II (bei unmittelbarer Überlassung des im Miteigentum befindlichen Betriebsgrundstücks an die Betriebskapitalgesellschaft) befinden (z.B. BFH, Urteil v. 17.12.2008 - IV R 65/07).
- Für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG ist es unschädlich, wenn vor Übertragung des (verbliebenen) ganzen Mitunternehmeranteils eine (funktional) wesentliche Betriebsgrundlage aus diesem durch Veräußerung an Dritte oder Überführung in das Privatvermögen ausgeschieden ist. Das Wirtschaftsgut scheidet auch dann vorab aus dem zu übertragenden Mitunternehmeranteil aus, wenn es eine "juristische Sekunde" vor dessen Übertragung hieraus entfernt wird.
- Das taggleiche Ausscheiden funktional wesentlicher Betriebsgrundlagen ist unter Aufdeckung der in diesen befindlichen stillen Reserven für die Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG unschädlich, wenn dies zeitlich vor Übertragung des verbliebenen, verkleinerten Mitunternehmeranteils erfolgt (anderer Ansicht BMF v. 20.11.2019 - IV C 6 - S 2241/15/10003). Werden hingegen funktional wesentliche Betriebsgrundlagen kurz nach Übertragung des Mitunternehmeranteils (auch nur eine juristische Sekunde später) an Dritte veräußert oder in das Privatvermögen überführt, ist der Aufgabetatbestand nach § 16 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt (so auch BFH, Urteil v. 29.11.2017 - I R 7/16).
- Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen Einzelfall zu beurteilen; bei der Bestimmung des wirtschaftlichen Eigentums ist nicht das formal Erklärte oder formal-rechtlich Vereinbarte, sondern das wirtschaftlich Gewollte und das tatsächlich Bewirkte ausschlaggebend. Diese Grundsätze gelten hinsichtlich aller Kriterien des wirtschaftlichen Eigentums (z.B. BFH, Beschluss v. 15.10.2013 I B 159/12, BFH, Urteil v. 1.3.2018 IV R 15/15).
- Das FG hat seine tatrichterliche Gesamtwürdigung auf der Grundlage einer Rechtsauffassung getroffen, die sich in einem für die Beurteilung des Streitfalles wesentlichen Punkt als unzutreffend erweist. Außerdem reichen die Feststellungen noch nicht aus, um die Zeitpunkte des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums zu bestimmen.
Quelle: BFH, Urteil v. 10.9.2020 - IV R 14/18; NWB TAAAH-66885 (JT)
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