Hintergrund: Die Entscheidung betrifft nahezu die gesamte Bauträgerbranche, die in der Vergangenheit Wohnungen ohne Vorsteuerabzug errichtet und umsatzsteuerfrei verkauft ("geliefert") hat. Die Finanzverwaltung ist hier über einen mehrjährigen Zeitraum bis zum Februar 2014 davon ausgegangen, dass diese Bauträger Steuerschuldner für die von ihnen bezogenen Bauleistungen seien. Diese Verwaltungspraxis hatte der BFH mit Urteil v. 22.08.2013 - V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128) verworfen. Vordergründig eröffnete sich dadurch die Möglichkeit eines Wohnungsbaus ohne Umsatzsteuerbelastung: Bauunternehmer konnten im Hinblick auf die ausdrückliche Weisungslage der Finanzverwaltung darauf vertrauen, die von ihnen erbrachten Bauleistungen nicht versteuern zu müssen - der Bauträger war entgegen der Annahme der Finanzverwaltung nach der BFH-Rechtsprechung von vornherein kein Steuerschuldner.
Der Gesetzgeber hat hierauf im Jahr 2014 mit einer Neuregelung reagiert, die seitdem die Steuerschuldnerschaft im Baubereich eindeutig regelt. Zudem wurde der Vertrauensschutz beim Bauunternehmer für die Vergangenheit gesetzlich eingeschränkt. Letzteres hat der BFH bereits im Wesentlichen gebilligt (BFH, Urteil v. 23.02.2017 - V R 16, 24/16, s. hierzu Prätzler, StuB 12/2017 S. 467; NWB DokID: WAAAG-47560).
Ungeklärt war bislang, ob die Finanzverwaltung zur Verhinderung von Steuerausfällen, die in einstelliger Milliardenhöhe befürchtet werden, berechtigt ist, Erstattungsverlangen der Bauträger für Leistungsbezüge bis zum Februar 2014 nur nachzukommen, wenn der Bauträger Umsatzsteuer an den leistenden Bauunternehmer nachzahlt oder für die Finanzverwaltung eine Aufrechnungsmöglichkeit gegen den Bauträger besteht (so BMF-Schreiben v. 26.07.2017, BStBl I 2017, 1001, Rz 15a; s. hierzu Hammerl/Fietz, NWB 7/2018 S. 396; NWB DokID: OAAAG-71627).
Diese Einschränkungen sind nach dem Urteil des BFH rechtswidrig (zur Vorinstanz s. Schmidt, NWB 47/2017 S. 3552):
- Eine rechtswidrig nach § 13b UStG als Leistungsempfänger vorgenommene Versteuerung ist unter den Voraussetzungen einer verfahrensrechtlichen Korrekturmöglichkeit - hier: Einspruch gegen die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 3 Satz 2 AO - rückgängig zu machen.
- Das materielle Recht macht das Entfallen einer rechtswidrigen Besteuerung nach § 13b UStG nicht von weiteren Bedingungen abhängig.
- Der Anspruch auf Änderung der rechtswidrigen Steuerfestsetzung hängt nicht von einer für das FA bestehenden Aufrechnungsmöglichkeit ab. Denn im Verhältnis zwischen Festsetzungs- und Erhebungsverfahren ist die Steuerfestsetzung für das Erhebungsverfahren vorgreiflich.
- Auf Grundlage des für das Umsatzsteuerrecht maßgeblichen Sollprinzips kann dem materiellen Recht kein allgemeiner Grundsatz entnommen werden, dass der Leistungsempfänger eine bei ihm rechtswidrig nach § 13b UStG vorgenommene Besteuerung erst aufgrund einer einen Steueranteil umfassenden Zahlung an den Leistenden rückgängig machen kann.
- Soweit dies dem Senatsbeschluss vom 27.01.2016 - V B 87/15 (BFHE 252, 187) und der dort für möglich gehaltenen Auslegung von § 17 UStG zu entnehmen sein sollte, hat der erkennende Senat hieran in seinem Urteil vom 23.02.2017 - V R 16, 24/16 (BFHE 257, 177, BStBl II 2017, 760, Rz 62) nicht festgehalten.
- Das Verlangen nach einer gesetzeskonformen Besteuerung ohne rechtsfehlerhafte Anwendung von § 13b UStG ist entgegen der Auffassung des FA weder treuwidrig noch eine unzulässige Rechtsausübung.
Hauptbezug: BFH, Urteil v. 27.09.2018 - V R 49/17; NWB DokID: XAAAG-99275
Hinweis: Mit seiner Entscheidung hat der BFH klare Verhältnisse geschaffen. Greift der Bauträger, der aufgrund der unzutreffenden Anwendung des § 13b UStG zu Unrecht als Leistungsempfänger zur Umsatzsteuer aus Bauleistungen herangezogen worden ist, die Steuerfestsetzung in verfahrensrechtlich wirksamer Form an, ist die Umsatzsteuerfestsetzung ohne jede weitere Voraussetzung zu berichtigen.
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- Walkenhorst in Küffner/Stöcker/Zugmaier, USt, § 13b UStG, NWB DokID: MAAAB-75344
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