Hintergrund: Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO ist die Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten zulässig, wenn sie u.a. der Durchführung eines Besteuerungsverfahrens dient.
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten um die Frage, welche Daten im Rahmen einer Außenprüfung in Bezug auf §§ 7h und 7i EStG ermittelt und offengelegt werden dürfen. Insbesondere ist streitig, ob die Ermittlung, Offenbarung und Verteilung des (Roh-)Gewinns und der Vertriebskosten und die daraus resultierende Offenbarung von Geschäftsgeheimnissen zur Durchführung eines Besteuerungsverfahrens (hier: zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die AfA) verhältnismäßig sind. Das FG der ersten Instanz hatte die Klage abgewiesen (FG Baden-Württemberg, Urteil v. 11.12.2018 - 4 K 3174/16).
Die Richter des BFH wiesen die Revision zurück:
- Die Auswertung der Geschäftsdaten hinsichtlich des Rohgewinns mit den Vertriebskosten in den Be-triebsprüfungsberichten verletzt nicht das Steuergeheimnis der Klägerin.
- Bei den im Streitfall betroffenen Daten über den Rohgewinn etc. handelt es sich um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese sind dem Betriebsprüfer im Rahmen einer Außenprüfung bekannt geworden und würden durch die Aufnahme in die Prüfungsberichte mit großer Wahrscheinlichkeit Dritten offenbart werden. Denn der Inhalt der Prüfungsberichte ist gegenüber den Erwerbern spätestens im Rahmen eines Einspruchsverfahrens nach § 364 AO offenzulegen; diese Norm wird von § 30 AO nicht eingeschränkt. Die den jeweiligen Einspruchsführer direkt betreffenden Passagen können offengelegt werden.
- Vorliegend ist das FA jedoch zur Offenbarung der Daten befugt.
- Eine Offenbarung der das Steuergeheimnis betreffenden Verhältnisse eines Dritten ist nach der Rechtsprechung des BFH zulässig, wenn die Daten eine Prüfung der im Steuerverfahren relevanten Tatbestandsmerkmale ermöglichen, erleichtern oder auf eine festere Grundlage stellen können (BFH, Beschlüsse v. 29.8.2012 - X S 5/12 (PKH), Rz 12 und v. 16.1.2013 - III S 38/11, Rz 15; Klein/Maetz, AO, 17. Aufl., § 30 Rz 97).
- Es muss ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung und der Verfahrensdurchführung bestehen (BFH, Urteil v. 10.2.1987 - VII R 77/84, BFHE 149, 387, BStBl II 1987, 545, unter B.II.1., 2. Abs.; BFH, Beschlüsse v. 7.7.2008 - II B 9/07, BFH/NV 2008, 1811, unter II.1.a, m.w.N. und v. 16.1.2013 - III S 38/11, Rz 15).
- Danach ist das FA zur Offenbarung der Daten in den Betriebsprüfungsberichten befugt. Denn es besteht ein unmittelbarer funktionaler Zusammenhang zwischen der Offenbarung der streitgegenständlichen Daten und der Berechnung der Höhe der AfA nach dem hier in allen Erwerbsfällen ausschließlich zu berücksichtigenden § 7i EStG bei den Erwerbern.
- Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht dem nicht entgegen: Die streitgegenständlichen Daten sind für die zutreffende Veranlagung der Erwerber erforderlich. Eine Möglichkeit zur zumutbaren anderweitigen Erlangung der dargestellten relevanten Informationen ist nicht ersichtlich. Auch hat die Klägerin selbst keine andere Möglichkeit dargelegt, die für die Feststellungsbescheide maßgeblichen Daten zur Verfügung zu stellen.
Quelle: BFH, Urteil vom 17.10.2023 - VII R 19/20; NWB Datenbank (il)
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• v. Wedelstädt, Steuergeheimnis, infoCenter NWB UAAAB-76831
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