Der zugrundeliegende Sachverhalt ist recht komplex: Vereinfacht gesagt betrieben zwei Geschäftsführer – einer von ihnen wurde im Lauf der Geschäftstätigkeit der Ehemann der jetzt beklagten Steuerberaterin – ein sog. Schneeballsystem. Sie gaben vor, elektronische Datenspeicher zu vermieten und daraus Einnahmen zu generieren. Anleger konnten in ihr Geschäftsmodell investieren. Tatsächlich aber existierten die Datenspeicher genauso wenig wie die Mieteinnahmen. Die Investitionen waren die einzige Einnahmequelle. Als das Geschäft zunehmend schlechter lief, zeigte sich einer der Geschäftsführer selbst an. Er wurde zu einer Haftstrafe von über 8 Jahren verurteilt. Der andere Geschäftsführer, der Ehemann der Beklagten, und sie selbst wurden zunächst als Mittäter angeklagt. Nachdem ihr Ehemann in der Untersuchungshaft starb, legte die Beklagte ein Geständnis ab und wurde lediglich wegen Beihilfe zum Betrug zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Ihr Einkommen von fast 350.000 € wurde eingezogen.
Nunmehr verklagen die Anleger die Steuerberaterin auf Rückzahlung geleisteter Summen i.H.V. ca. 50.000 € wegen Beilhilfe zum Betrug (§§ 823 Abs. 2, 830 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 263, 27 StGB) und vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB). Im Zivilprozess aber trug die Beklagte vor, sie habe das Geständnis im Strafprozess nur abgelegt, um einer Haftstrafe zu entgehen. Es sei eine Lüge gewesen, sie habe von nichts gewusst. Die Vorinstanzen – die nicht an die strafrechtliche Verurteilung gebunden sind – glaubten ihr und wiesen die Klagen ab. Die Revision zum BGH hatte nun aber Erfolg. Eine andere Strafkammer muss sich nun erneut nach den Vorgaben des BGH mit dem Sachverhalt auseinandersetzen.
Der BGH rĂĽgte mehrere Rechtsfehler der Vorinstanz und nutzte die Gelegenheit, die Voraussetzungen der Strafbarkeit der Beihilfe bei berufstypischen Handlungen auszufĂĽhren. Zudem gab der BGH der Vorinstanz einige prozessuale Anforderungen mit auf den Weg:
- Zunächst hat das Berufungsgericht den Prüfungsmaßstab unzulässig verkürzt, indem es allein auf die positive Kenntnis des Schneeballsystems abgestellt hat. Gehilfenvorsatz liegt schließlich auch vor, wenn der Gehilfe zwar nicht alle Einzelheiten, aber dennoch die zentralen Merkmale der Haupttat sowie deren Förderung durch sein Verhalten kennt oder zumindest im Sinne bedingten Vorsatzes für möglich hält und in Kauf nimmt.
- Bei berufstypisch „neutralen“ Handlungen kommt eine Strafbarkeit daher nicht nur bei positiver Kenntnis der Haupttat in Betracht. Es reicht, dass das von der Steuerberaterin erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des Haupttäters derart hoch war, dass sie sich mit ihrer Hilfeleistung einen „erkennbar tatgeneigten Täter“ fördern wollte. Dies hat das Berufungsgericht jedoch nicht ausreichend geprüft – wie auch die Kritik des BGH an weiteren Prüfungen des OLG zeigte.
- Darüber hinaus hat das OLG überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung (§ 286 ZPO) gestellt. Es hat bei der Würdigung der einzelnen Belastungsindizien rechtsfehlerhaft verlangt, dass sich daraus „zwingende“ Schlüsse ergeben müssen. Es reicht hingegen bereits ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt. Dies gilt in besonderem Maß bei der Würdigung von Indizien.
- Auch die isolierte Würdigung der einzelnen Beweisindizien ohne eine Gesamtabwägung aller für und gegen die Täterschaft der Beklagten sprechenden Umstände ist rechtsfehlerhaft. Diese Vorgehensweise lässt die erforderliche Gesamtschau der Beweisergebnisse vermissen.
- Vorliegend ist nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend, dass das Berufungsgericht auch den subjektiven Tatbestand der Beihilfe bejaht hätte, wenn es die Indizien in dieser Gesamtschau umfassend gewürdigt hätte. Nicht nur hat die Frau ein glaubwürdiges Geständnis abgelegt. Auch zahlreiche andere Indizien sprechen dafür, dass sich der Verdacht für die Steuerberaterin aufgedrängt haben musste. Auch einer als Buchhalterin beschäftigten Zeugin waren diesbezüglich sehr viele Ungereimtheiten aufgefallen.
- Bezüglich besagter Zeugin hat das Berufungsgericht zudem den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Denn das Gericht hatte sich damit begnügt, die von den Klägern angeführte Aussage der Zeugin ohne nähere Würdigung pauschal als unerheblich anzusehen.
Quelle: BRAK online, Meldung v. 3.12.2024 (il)
Fundstelle(n):
NWB JAAAJ-80586